Aubing:Im Westen wachsen die Sorgen

Bis zu 28 000 Neubürger ziehen in den kommenden Jahren nach Freiham. Wie sich der neue Stadtteil anbinden lässt und wie man mit der unvermeidlichen Verkehrszunahme umgeht, beschäftigt die Bürgerversammlung

Von Ellen Draxel, Aubing

Freiham wird weniger dicht besiedelt als angenommen. Statt 7000 Wohnungen sollen im zweiten Realisierungsabschnitt von Freiham-Nord nur etwa 6300 Wohnungen entstehen. "Mehr schaffen wir auf der Fläche nicht", sagte Merle Bald, die Projektleiterin im Planungsreferat, bei der Aubinger Bürgerversammlung am Dienstagabend. Damit erhöhe sich die Einwohnerzahl des 22. Stadtbezirks durch den neuen Stadtteil "wahrscheinlich" um 28 000 Menschen. Ausgegangen war man zunächst von bis zu 30 000 neuen Bewohnern. Es war ein eher beiläufiger Kommentar, mit dem Bald dem Vorwurf widersprechen wollte, Freiham werde immer mehr verdichtet mit Folgen für die Infrastruktur. Denn dass Aubing-Lochhausen-Langwied insbesondere durch den Zuzug nach Freiham im Verkehr ersticken könnte, ist nach wie vor eine der größten Sorgen im Viertel. Von den 18 Anträgen drehten sich allein 15 um das Thema Verkehr.

Eines der Hauptanliegen ist die Anbindung Freihams an Aubing. Geprüft werden derzeit zwei Varianten: der Weg über die Eichenauer, Wildenrother, Gilchinger und Altostraße und alternativ der Bau einer neuen Trasse parallel zum Autobahntunnel der A 99. Erst vor Kurzem hatte die Aubingerin Ulrike Parusel dem Planungsreferat 150 Briefe übergeben, in denen Nachbarn gegen diese Varianten protestieren. Parusels Mann Andreas Schweinzer holte sich nun zusätzlich die Unterstützung der Bürgerversammlung, indem er forderte, den Individualverkehr nicht ausgerechnet durch die Tempo-30-Zonen von Aubing abzuleiten. Denn diese Straßen gehörten zu den kinderreichsten Münchens. "Das ist kein Konzept, das ist ein Farce", schimpfte er. "Wenn ich Sie wäre", antwortete Robert Adam vom Mobilitätsreferat, "würde mich das auch stören". Aber es sei nun mal "nicht vorstellbar", dass der Autoverkehr, der zwangsläufig entstehen werde, nur über die Autobahn und die Bodensee- und Wiesentfelser Straße laufe. "Es muss", so Adam, "einen Weg nach Norden geben".

Aubing: Derzeit ist auf Freihams Straßen vor allem Baustellenverkehr unterwegs. Das wird sich ändern. Die Anbindung an Aubing gilt als Schlüsselproblem.

Derzeit ist auf Freihams Straßen vor allem Baustellenverkehr unterwegs. Das wird sich ändern. Die Anbindung an Aubing gilt als Schlüsselproblem.

(Foto: Stephan Rumpf)

Gearbeitet wird außerdem an einem Verkehrskonzept für den Stadtbezirk. Eine Idee dieses Papiers, die Eichenauer Straße für den Autoverkehr zu sperren, lehnt Hans Kettl ab. Es müsse, sagte er mit Rückendeckung der rund 50 Stimmberechtigten im Saal, die "Durchfahrtsmöglichkeit nach Puchheim beibehalten" werden.

Sowohl Uta Wagner als auch Barbara Ney fordern, "endlich" die barrierefreie Ortsverbindung zwischen Aubing und Freiham zu realisieren. Wagner schlug als Zwischenlösung eine "Notbehelfsrampe" auf der Nordseite des Aubinger Bahnhofs vor. Und Ney plädierte für den Bau einer "Schnecke" statt eines Aufzugs oder einer Rampe. Für beides ernteten sie Zustimmung. Es hätte ja durchaus eine schnelle und dazu für die Stadt kostenfreie Lösung geben können, entgegnete Robert Adam. Der Bau einer Rampe bis 2024 sei bereits mit Bahn und Freistaat abgesprochen gewesen. "Aber das wurde von den Bürgern abgelehnt, weil sie eine Rotunde wollen. Und nun gibt es einen Wettbewerb, der weder einfach noch kostenfrei ist." Vom Zeitpunkt der Umsetzung ganz zu schweigen.

Dieser Wettbewerb ist nicht der einzige für diese Ecke. Auch das angrenzende Areal Ubostraße 7-9 im Herzen Altaubings soll neu gestaltet werden. Zudem bekommt die benachbarte Freiwillige Feuerwehr einen Neubau. "Das alles", findet Jürgen Müller von der Bürgervereinigung Aubing-Neuaubing, "gehört als Gesamtkonzept aus einer Hand beplant". Für das Ubostraßen-Areal, um dessen künftige Nutzung seit Monaten heftig diskutiert wird, beantragte er zusätzlich mit Mehrheitsvotum des Plenums die Aufstellung eines Bebauungsplans. Sein Ziel: Die Einspruchsmöglichkeiten der Bürger zu zementieren. Ein Konzept, das alle drei Bereiche einbeziehe, werde gerade erarbeitet und solle "hoffentlich" noch vor der Sommerpause fertig sein, erklärte Kerstin Oertel von der Stadtsanierung.

Aubing: Wohnen verdrängt Weiden. Vorerst gibt es in Freiham aber noch genug Wiesen für die Schafe.

Wohnen verdrängt Weiden. Vorerst gibt es in Freiham aber noch genug Wiesen für die Schafe.

(Foto: Stephan Rumpf)

Um "Sicherung und Ausweitung" des öffentlichen Nahverkehrs trotz Einbußen durch die Pandemie ging es Peter Auchter-Paula. Nur so, argumentierte er, könne München bis 2035 klimaneutral werden. Er beklagte die Streichung von Buslinien-Optimierungen. Doch für Verbesserungen fehle der Münchner Verkehrsgesellschaft bis auf weiteres das Geld, bedauerte MVG-Busplaner Joachim Heinrich.

Auf Antrag Andreas Deischls bitten die Aubinger angesichts des Zuwachses im Viertel außerdem um eine Hallen- und ein Freibad, einen Badesee und einen teilbaren Saal für größere Veranstaltungen in Freiham. Räumlichkeiten seien mit dem Kulturzentrum bereits in Planung, auch bei der GWG, der Gewofag und in Nachbarschaftstreffs könnten Räume gemietet werden, so Merle Bald. Die Realisierung eines mindestens fünf Hektar großen Sees werde derzeit geprüft.

Ein heißes Eisen im Stadtbezirk ist auch der Ärztemangel. Laut der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) ist München mit Medizinern überversorgt, aber "bei uns fehlen 75 Ärzte", rechnete Egbert Scherello vor. Sein Vorschlag: Die Ärzteverteilung nach dem Statistischen Jahrbuch vornehmen. Und von städtischer Seite aus parallel 187 mittelgroße Wohnungen in Freiham zu Praxen umwandeln. Aber die KVB, sagte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD), die die Versammlung leitete, sei "nicht so ganz einfach zu beeinflussen".

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